6. DCIG Fachtagung 2018
Erfolg in der CI-Versorgung – Machen wir alles richtig?!
Den architektonischen Rahmen bot vom 25. bis 27. Mai die Katholische Akademie mitten in Hamburg, ideal zwischen Rathaus und Jungfernstieg, Landungsbrücken und Elbphilharmonie gelegen und mit einer auch für CI-Träger gut gerüsteten Akustik. Der CIV Nord hatte als Mitveranstalter der Tagung eine offenkundig exzellente Wahl getroffen.
Matthias Schulz, Pascal Thomann und ihre Mitstreiter ernteten für ihren Einsatz vor und während der Tagung zu Recht viel Lob. Ob es am Gebäude lag oder an der Lage, am bunten Programm oder den Rahmenbedingungen: Bis zum Schlussgong wurde auch am Rande munter parliert, und überall waren zufriedene Gesichter zu sehen. Nur dass die belegten Pausen-Brötchen immer so schnell weggegessen waren…
„Wenn es in Deutschland eine zweite Weltstadt gibt, ist es Berlin.“ Hanseatisch selbstbewusst begrüßte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks die gut 230 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Und sie fügte einen Rat hinzu: „Das bringt immer den meisten Gewinn: den Blickwinkel des anderen einnehmen.“ Genau das sollte auf dieser Tagung geschehen. Ärzte, Wissenschaftler, Firmenvertreter und Patienten kamen ins Gespräch.
Stefan Wetzel vom Hörzentrum Oldenburg schilderte die Techniken zum Messen von Hörerfolgen; vom Freiburger Sprachverständlichkeitstest aus 1953 bis zum Oldenburger Kinder-Satztest OLKISA von 2005. Junge klinische Linguistinnen um die Bielefelder Professorin Martina Hielscher-Fastabend fassten kritisch nach: „Wird damit überhaupt das Sprachverstehen erfasst?“ Sprachverständnis sei „nicht das gleiche wie Sprachverständlichkeit oder Spracherwerb“. Uwe Baumann, seit 2006 Professor am CI-Zentrum der Frankfurter Goethe-Universität, ermahnte seine CI-versorgenden Kollegen, nicht zu viel zu versprechen.
Viele Beiträge machten deutlich: Neben sehr seltenen Fehlern der Technik oder bei der OP sind die wichtigsten Gründe für mangelnde Hör-Erfolge nach einer CI-Versorgung die zu lange Wartezeit vor der OP - Baumann: „Wir müssen die Patienten früher versorgen, dann sind die Ergebnisse besser.“ – und fehlende oder ungenügende Hör-Therapie (Rehabilitation).
Horst Warncke von der Firma Oticon riet in einem sehr beschwingten Vortrag, lieber von der „Leichtigkeit des Hörens“ zu sprechen als von Höraufwand: „Was nutzen mir hundert Prozent Sprachverstehen, wenn ich vor lauter Anstrengung Kopfschmerzen bekomme?“ Oliver Niclaus vom hanseatischen CI-Zentrum war nicht der
einzige, der betonte: „CI-Versorgung ist immer Teamarbeit.“ Immer wieder war zu hören: Teil des Teams müsse der Patient selber sein, auch sein Umfeld. Nicht zuletzt: die Selbsthilfe. Auf absehbare Zeit wird der Mensch in der CI-Versorgung wohl nicht durch Roboter und Computer zu ersetzen sein. Das unterstrichen Firmenvertreter wie Gregor Dittrich (Med-el) und Horst Hessel (Cochlear), und das betonte auch Professor Birger Kollmeier (Oldenburg), der entwarnte: „Keine Angst vor Big Data!“ Datensammlungen könnten durch eine „Bündelung von Expertenmeinungen“ Diagnosen und Behandlungen verbessern, vorausgesetzt, sie lieferten die „fünf V’s“: volume, velocity, variety, value, validity.
Also: Die Daten müssen zahlreich und schnell verfügbar sein, sie müssen gut aufgeschlüsselt sein und einer kritischen Überprüfung standhalten. Daran mangelt es der CI-Versorgung in Deutschland. Zwar verfügten, wie Timo Stöver (Uni Frankfurt) deutlich machte, einzelne große Kliniken inzwischen über stattliche Datenmengen zu Erfolgen und Misserfolgen in der CI-Versorgung, sie behalten sie aber für sich. Selten seien die Daten einer Klinik vergleichbar mit denen aus einer anderen – anders als in der Schweiz, wo ein „nationales CIRegister“
seit einigen Jahren alle Daten zentral sammelt. Aber auch dort, räumte Christof Stieger vom CI-Zentrum Basel sein, sei es nicht möglich, die Erfolgsquoten der fünf Schweizer CIKliniken miteinander zu vergleichen. Das solle in Deutschland auch nach Schaffung eines CI-Registers unmöglich bleiben, berichtete Timo Stöver. Das von der Deutschen HNO-Gesellschaft jetzt geplante Register solle „kein Online-Marketing-Instrument werden“.
Nicht Marketing, wohl aber eine Vergleichbarkeit der Daten erhofft sich von einem solchen Register hingegen die Techniker Krankenkasse. Göran Lehmann stellte deren Qualitätsinitiative (QuInCI) vor. Die CI-Versorgung sei „eine relativ teure Leistung. Es gibt viele Krankenhäuser, die sich daran ausprobieren.“ Derzeit seien es mehr als 80. Lehmann fragte: „Brauchen wir so viele?“
Nicht alle Kliniken stellten eine angemessene Therapie sicher. Lehmann: „Wenn eine so teure Leistung erbracht wird, soll der Patient davon auch profitieren.“ Roland Zeh, der als CI-Träger und Chefarzt stets zwei Hüte tragen muss, weiß aus seiner Reha-Praxis: „Die CI-Träger mit den besten Ergebnissen sind nicht unbedingt die zufriedensten.“ Im Großen und Ganzen aber gelte – und das sei auch an diesen sonnigen Tagen in Hamburg wieder deutlich geworden – : „Die CIVersorgung ist in Deutschland so gut wie nirgendwo anders. Manchmal jammern wir auf einem hohen Niveau.“
CI-Träger und CI-Versorger können allerdings auch auf hohem Niveau diskutieren – und feiern. Das zeigte sich beim „Abend der Begegnungen“. Die Berlin-Brandenburger CI-Truppe brillierte dort mit einer gekonnten Tango-Einlage. The Beefees sorgten mit Titeln aus den 1970er- bis -90er Jahren für eine belebte Tanzfläche. Und ein junges CI-tragendes Köche-Team um die am Sonntag erst 22 Jahre alt gewordene Anna Meike Gängler (Hilton Berlin) und Markus Knittel (Seehörnle, Gaienhofen) bewies: Buffet-Essen muss nicht eintönig sein! Lecker. Am Ende der Tagung konnte Roland Zeh unwidersprochen feststellen: „Es war eine tolle Veranstaltung!“
(uk)
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zur DCIG Fachtagung
Stimmen
und Meinungen
Göran Lehmann (Techniker Krankenkasse) zum geplanten CI-Register:
„Wenn wir nicht wissen, wer schlechte Qualität erbracht hat, dann brauchen wir das nicht.“
Timo Stöver (Uni Frankfurt):
„Wir müssen Zielparameter definieren: Was ist gut genug?“
Göran Lehmann (TK):
„Wir brauchen Studien zur Nachsorge.“
Jan Röhrig, Tilmann Stenke
"Wir mussten in Studium und Ausbildung selbst zu Experten für Unterstützungsangebote werden"
Barbara Gängler (DCIG-Geschäftsführerin):
„Audiologie ist ein therapeutischer Beruf! Dazu braucht es Einfühlungsvermögen.“
Jürgen Drews
"Wir brauchen Internet in Seniorenheimen, gerade in Zeiten der Pandemie."