
Die DCIG beim NDR
Gespräch über Barrierefreiheit in der ARD und den Landesmedienanstalten
Einmal im Jahr treffen sich Verantwortliche der ARD unter Federführung des NDR mit Vertreterinnen und Vertretern der Verbände schwerhöriger und ertaubter Menschen zum Austausch. Ziel dieser fortlaufenden Gespräche ist es, über die Barrierefreiheit der ARD zu informieren, Fortschritte mitzuteilen, aber gleichzeitig auch noch offene Probleme zu thematisieren. Ende Oktober 2022 war es nun nach zweijähriger Corona-Pause wieder möglich, sich persönlich beim NDR zu treffen. Die DCIG war nun auch erstmals mit dabei, vertreten durch unsere politische Referentin Annalea Schröder.
Zu Beginn berichtete Niels Rasmussen, Leiter der Arbeitsgruppe Barrierefreiheit in der ARD, den aktuellen Stand der Barrierefreiheit in der ARD, anschließend teilte Ursula Heerdegen-Wessel (NDR Redaktionsleiterin) den Stand der Barrierefreiheit beim NDR mit. Barrierefreiheit umfasst in diesem Fall Untertitel, Gebärdensprache, Audiodeskription und Angebote in Leichter Sprache.
Aktuelle Untertitelquote
Da die Statistiken immer zum Halbjahr erstellt werden, beinhaltete das aktuelle Treffen den Stand bis Juni 2022. Demnach lagen die Untertitel im Ersten im bei 98%, in den einzelnen Landesrundfunkanstalten (die „dritten“ Programme, wie z.B. WDR, NDR, SWR oder BR) etwas niedriger, zwischen 72% beim RBB und 94% beim MDR. In den Spartenkanälen (tagesschau24, ONE, KiKa, arte, phoenix und ARD alpha) lag die Untertitelquote noch etwas niedriger: zwischen 39% bei phoenix und 71% bei KiKa. (Ausführliche Darstellung siehe Grafik.)
Für die Erstellung der Untertitel hat die ARD eine eigene Redaktion, die sieben Tage die Woche von 08:00 Uhr bis ca. 01:00 Uhr nachts arbeitet und so bis zu 30 Sendungen am Tag untertitelt. Genau wie viele andere Branchen auch, kämpft die Untertitel-Redaktion der ARD derzeit mit dem Fachkräftemangel. Dennoch werde laut Niels Rasmussen alles getan, um die hohe Qualität und Quantität sicherzustellen. Für die Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache werden jeweils externe Dolmetschende beauftragt. 2021 sind 17.579 Sendeminuten in Deutscher Gebärdensprache verfügbar gewesen, bis Juni 2022 waren es 8.419 Sendeminuten. Die ARD ist zuversichtlich, dass man sich Ende 2022 bei der Anzahl der Minuten auf einem ähnlichen Niveau wie 2021 bewegen wird.
Eine Untertitel-Quote für die Mediathek gibt es zum aktuellen Stand leider noch nicht, die ARD hofft jedoch, beim Termin in einem Jahr eine Statistik dazu präsentieren zu können.
Mediatheken
In diesem Zusammenhang wurde auch thematisiert, warum nicht alle Inhalte, die untertitelt im linearen Fernsehen laufen, auch untertitelt in der Mediathek zur Verfügung stehen: Die ARD arbeitet mit einem sogenannten zweistreifigen Sendeverfahren. Das heißt, man hat nicht einfach eine Datei, auf der Film und Untertitel zusammen gespeichert sind. Stattdessen gibt es eine Datei mit dem Bewegtbild und eine weitere Datei mit den dazu gehörigen Untertiteln. Sobald für die Mediathek beispielsweise ein Trailer oder ein Intro vor das Bewegtbild vorgeschaltet wird, stimmen die Minutenstelle der Untertitel-Datei entsprechend nicht mehr mit dem Bewegtbild überein. Dafür ein Beispiel: Bewegtbild-Datei und Untertitel-Datei starten beide bei Sekunde 0,1. Für die Mediathek wird jedoch vor dem Start des Bewegtbildes noch für drei Sekunden das Logo der ARD vorgeschaltet. Die Untertitel-Datei kann aber nicht einfach drei Sekunden später gestartet werden. Die Folge: zeitversetze Untertitel, die nicht mehr zum Bewegtbild passen. Daher müssen viele Sendungen für die Mediatheken noch einmal zusätzlich überarbeitet werden, um den Zeitversatz zu korrigieren – diese Korrekturen erfolgen zusätzlich zur regulären Untertitelung der Inhalte für das lineare TV und den Web-Content.
Ebenfalls thematisiert wurde der zeitliche Unterschied bei Untertiteln im linearen TV – nicht nur bei Live-Übertragungen. Immer wieder kommt es vor, dass auch bereits vorproduzierte Untertitel nicht ganz synchron zum Gesprochenen laufen. Auch hier ist das zweistreifige Sendeverfahren die Erklärung: Beide Signale (der Film und die Untertitel) werden von der ARD gesendet. Wie schnell jedoch beide Signale beim Konsumenten ankommen, hängt auch vom jeweiligen Kabel/Satellit-Empfänger ab. Daher kann es vorkommen, dass das Signal der Untertitel ganz leicht zeitverzögert ankommt und somit nicht mehr synchron zum Gesprochenen ist. Gleiches gilt natürlich auch, wenn die Person im Film sehr schnell spricht und die UT nicht hinterherkommen, weil sie für eine bestimmte Zeit auch zu lesen sein müssen.
Extra-Tonspur: Klare Sprache
Seit September 2022 gibt es nun auch endlich die Tonspur „Klare Sprache“ in der ARD. Hierbei handelt es sich um eine extra Tonspur, die ein technisch aufbereitetes Audiosignal enthält. In dieser Tonspur wird die Sprache im Pegel und im Klang angehoben, während andere Geräusche (z.B. Musik) akustisch reduziert werden. So soll die Tonspur dazu beitragen, dass gerade wir Menschen mit Hörbehinderung dem Programm besser folgen können und lästige Nebengeräusche das Verstehen nicht weiter erschweren. Eingestellt werden kann die extra Tonspur über das Audiomenü des jeweiligen Fernsehers. Die Bezeichnung variiert jedoch je nach Gerät. Bei manchen Geräten heißt sie „qks“, bei manchen „deu“ oder es gibt eine ganz eigene Bezeichnung. In der Regel sollte es sich jedoch überall um die jeweils unterste Auswahlmöglichkeit handeln. Über HbbTV kann „Klare Sprache“ mit der roten Taste auf der Fernbedienung in den Einstellungen eingestellt werden. Weitere Informationen und Hilfestellungen zur klaren Sprache gibt es hier.
Transkription von Radiobeiträgen
Nachdem unsere politische Referentin darum bat, dass auch mehr Radiobeiträge in Textform als Transkript bereitgestellt werden, damit diese für hörbehinderte Menschen besser zu verstehen sind, wurde erläutert, warum dies nicht gemacht werde: So werde Radiosendern, die ihre Inhalte nicht nur als reine Audio- oder Videoinhalte bereitstellen, sondern zusätzlich in Textform, regelmäßig vorgeworfen, dass diese zu presseähnlich seien. Zeitungsverlage sehen sich dadurch in ihrem Kerngeschäft bedroht und würden sogar Klage gegen solche Angebote einreichen. Die Begründung: Radiosender sollen sich auf audiovisuelle Inhalte konzentrieren, das geschriebene Wort sei Arbeit der Zeitungen bzw. deren Online-Präsenzen.